Freunds Freiheit - 5. Teil: Selbständigkeit und Denkfehler!

Veröffentlicht auf von Norbert Freund

Selbständigkeit und fatale Denkfehler.

Liebe Leserin, lieber Leser,

bisher habe ich in meinen Artikeln über Selbständigkeit ausschließlich von
meinen Erfolgen und gut funktionierenden Handlungen geschrieben. Doch
Erfolg definiert sich nicht nur aus Gewinnen, sondern auch Verlusten, aus
denen wir Unternehmer lernen sollen.

Mir sind in meiner 19-jährigen Karriere fatale Denkfehler passiert, die mich
im Jahr 2000 fast an den Rand des Ruins gebracht hätten. Um junge Unternehmer
und Unternehmenrinnen vor diesen Denkfallen zu bewahren, habe ich
mich entschlossen diesen Artikel zu verfassen.

Denkfehler 1: Entscheidungen im Nachhinein beschönigen.

Im Jahr 1997 habe ich mich entschlossen, in meinem Bildungsinstitut TrainerInnen
mit hohen Gehältern fix anzustellen, damit sie nicht so leicht von Mitbewerbern abgeworben
werden können. Denn ich habe diese TrainerInnen auf meine Kosten
selbst ausgebildet und wollte diese Investition damit schützen. Trotz Warnungen
von wohlwollenden KritikerInnen aus eigenen Reihen, habe ich diese Entscheidung
verteidigt. Gleichzeitig stiegen unsere Umsätze, weil ich die TrainerInnen verkaufen
geschickt habe. Nur die Gewinne wurden immer dünner. Das habe ich zwar gesehen,
aber mit dem Argument weggedrückt, dass diese Entcheidung richtig sei, wie sich
das noch zeigen wird. Ich konnte nur nicht sagen wie.

Denkfehler 2: Mir wird schon nichts passieren.

Wir Menschen scheinen zu der Überzeugung zu neigen, dass zwar anderen
eine Katastrophe passieren kann nur uns selbst nicht. So trifft das Feuer
das Haus des Nachbarn aber unseres nicht. In diesem Sinne habe ich die
Kritikerwarnungen geflissentlich überhört und sogar gesagt, dass wir jetzt
überall im Land Geschäftsstellen eröffnen werden.

Denkfehler 3: Superlativistischer Optimismus

Das habe ich dann auch veranlasst. Die Umsätze stiegen und die Verluste auch.
1998/99 hat scheinbar mein Testosteronspiegel den Höchststand
erreicht und ich träumte davon die EU zu erobern. Das hat meinen Blick
für die nüchternen Hausaufgaben, die ich hätte machen müssen, verschleiert.
Jetzt wurden die Zahlen schon "Orange".

Denkfehler 4: Die Verantwortung auf den Markt schieben.

Im Jahr 2000 erlebten europas Bildungsanbieter eine rezessive Phase. Die
Aufträge gingen spürbar zurück. Unsere Zahlen waren hoch Rot. Als meine
Contollerin darauf aufmerksam machte, habe ich das auf die Rezession
geschoben, jedoch nicht auf meine Denkfehler. Erst als mir mein
Steuerberater dazu riet, schon einmal vorbeugend Businesspläne
für die nächsten fünf Jahre zu erstellen, wurde ich wach. Ich hatte inzwischen
24 MitarbeiterInnen und habe quasi über Nacht eine radikale Strategieänderung
vorgenommen. Alle dezentralen Einheiten abgestossen, allen TrainerInnen
freie Verträge angeboten, 99% haben daraufhin gekündigt und alles zentralisiert.
Auch die Mannschaft wurde deutlich verkleinert.

Unsere hervoragende menschliche Beziehung zur Bank und die radikalen
Änderungen haben uns dann gerettet. Wir bekamen einen für unsere
Verhältnisse sehr hohen Kredit bewilligt. Das hatten wir dem hervorragenden
Verhandlungsgeschick unserer Controllerin zu verdanken.

Denkfehler 5: Der Halo-Effekt.

Falsche Einschätzungen von Mitarbeitern. Mehr Schein als Sein. Ich habe alle
meine TrainerInnen aufgrund ihrer postiven Ausstrahlung für so fähig gehalten,
dass ich sie Verkaufen geschickt habe. Mir wäre im Traum nicht eingefallen,
dass ein guter Trainer nicht automatisch auch ein guter Verkäufer sein muss.

Taktiken zur Umschiffung von Denkfehlern.

Taktik 1: Lasse deine Meinung in Frage stellen.

Hole dir wohlwollende Kritiker an Bord. Lasse schonungslose Kritik zu,
wenn du ein kostspieliges Vorhaben ins Auge fasst. Nehme deine Eitelkeit
zurück. Auch ein Unternehmer kann irren.

Taktik 2: Kalkuliere mit dem Zufall.

Frage dich, was alles schief gehen könnte, was die möglichen Ursachen sind
und wie du den Ursachen begegnen wirst. Man nennt so etwas Vorkopplung.
Halte deine Ergebnisse schriftlich fest. Und bedenke, nicht der Markt ist schuld,
sondern du hast dich überrollen lassen.

Taktik 3: Überfordere dich nicht.

Hinterfrage superlativistische Gedanken selbstkritisch. Solche Gedanken sind:
Ich kann alles, ich schaffe alles, ich besiege alle, ich gewinne alles,
ich erreiche alles usw.

Taktik 4: Es gibt nicht nur Gewinne:

Akzeptiere Verluste. Sieh hin, wenn sich Verluste schleichend einstellen.
Handle rechtzeitig und besonnen, um das Schlimmste zu vermeiden.

Taktik 5: Lasse dich nicht blenden.

Die Qualifikation deiner MitarbeiterInnen erkennst du an den Ergebnissen
ihrer Handlungen. Beurteile nach Kompetenz und Performance und
weniger nach menschlicher Zuneigung.

Worauf ich im Rückblick doch etwas Stolz bin, wir haben es mit dem
radikalen Einschnitt und der Hilfe unserer Hausbank geschafft,
innerhalb eines Jahres aus den roten Zahlen herauszukommen. Da
hat sogar unser Steuerberater mit den Ohren geschlackert.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Herzliche Grüße

Norbert Freund





Veröffentlicht in Selbständigkeit

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A
Die Controllerin dankt dir für deine Anerkennung :-)
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